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Reaktionen auf Vorträge

 
Frankfurter Neue Presse, 3.8.2006

Eigene Werte überprüfen

Von Jürgen Schnegelsberg
Neu-Anspach. «Es gibt keine objektiven Kategorien, die Rassen unterscheiden können, es sind willkürliche Merkmale nach äußeren Eindrücken.» Ein Satz von Dr. Christine Morgenstern, promovierte Gesellschaftswissenschaftlerin, die zum Thema «Rassismus» ihre Doktorarbeit geschrieben hat. Gesagt in der Bildungsstätte Alte Schule Anspach (Basa) anlässlich einer Projektwoche «Fremde unter Fremden».

[...]


Vortragsthema:
Was ist Rassismus?

Multiplikatorenschulung 
im Rahmen des Jugendbildungsprojekts Mixstory.de

BASA, Bildungsstätte Alte Schule, Anspach  

 

Dr. Christine Morgenstern geht auf Grund ihrer Untersuchungen davon aus, dass es vier Bestandteile von rassistischer Ideologie gibt. Erstens: Die Menschheit wird willkürlich in verschiedene Kategorien eingeteilt (Schwarze, Asiaten, Europäer, Indianer zum Beispiel). Zweitens: Die Unterschiede werden durch Zuteilung von Eigenschaften festgemacht (zum Beispiel: schwarz gleich faul und triebhaft). Zu diesen Zuschreibungen werden Äußerlichkeiten hinzugefügt, etwa Haar-, Haut- und Augenfarbe. Daraus werden Kategorien gebildet und charakterliche Eigenschaften abgeleitet beziehungsweise zugeordnet, die sich in einer «Wenn-dann-Logik» subsumieren. Also: «Wenn es ein Schwarzer war, der dieses oder jenes getan hat, dann hat er bestimmt die Frau vergewaltigt, weil alle Schwarzen triebhaft sind.» Oder: «Das Projekt der Entwicklungshelfer konnte nicht funktionieren, weil ja alle Schwarzen faul sind.» So entstünde ein falsches Wissen, das aber – weil es eine scheinbar von Natur aus gegebene Logik in sich trägt – immer weiter kolportiert werde. Der «Vorteil» dieser Art von «Logik», so Dr. Morgenstern, bestünde darin, dass sich Menschen schnell beurteilen lassen, es werde simplifiziert statt differenziert. Das dritte Kriterium seien die Bewertungen. Die Kategorien mit ihren charakteristischen Eigenschaften werden positiv oder negativ besetzt und das weltweit, quasi in einer Art internationalem Ranking.

Die Fußball-WM habe dies gerade wieder gezeigt: Japanische, brasilianische und Fußballer aus dem Maghreb, die für Frankreich spielen, lassen sich die Haare blondieren, weil «überall möchte man blond und weiß sein». Auch die Heiratsanzeigen rund um den Globus bestätigten dies. Viertes Merkmal von rassistischer Ideologie sei schließlich die Naturalisierung: «Alles, was Menschen gemacht haben, wird für Natur erklärt, für objektiv, unveränderlich, unantastbar. Es macht deshalb keinen Sinn, Rasse zu hinterfragen, denn ‚Es ist doch so, von Natur aus‘.» Dies führe letztlich zur Legitimation von Hierarchie, von Macht und Gewalt, auch wie sie im Kampf um Ressourcen eingesetzt werde.

«Man muss nicht darüber reden, jeder hat es im Kopf», so die Gesellschaftswissenschaftlerin, die an den Fachhochschulen Wiesbaden und Frankfurt lehrt. Das Tückische an dieser «Naturalisierung» sei, dass Rasse dadurch für erblich erklärt werde – und die Eigenschaften, die der jeweiligen Rasse zugeordnet werden. «Niemand kann da raus.» Und gerade diese von Natur scheinbar vorgegebene Legitimierung mache Rassismus so gut brauchbar für rechte Ideologen.

«Was ist nun die Voraussetzung für Gegenstrategien?», so Dr. Morgenstern zum Abschluss ihrer Ausführungen: «Sich mit den eigenen Wertemustern auseinander zu setzen.» Interessant wäre es zu wissen gewesen, was jugendliche Immigranten zu diesen Thesen gesagt hätten.

 
Vollständiger Text: Online-Ausgabe der Frankfurter Presse
http://www.rhein-main.net/sixcms/list.php?page=fnp2_news_article&id=3115775

 

Rezensionen

 

Rezensionsforum
literaturkritik.de,  Nr. 1, Januar 2006

 

Grundlagen der Kritik

Ein Band zur Wissenschaft im Neoliberalismus

Von Kai Köhler

 

"Neoliberalismus" ist wohl nach "Globalisierung" der am häufigsten gebrauchte Begriff, der aktuelle Trends kennzeichnen soll. Wer von Neoliberalismus spricht, stellt sich auf die Seite der Kritiker - kaum jemand bezeichnet sich als neoliberal, selbst Guido Westerwelle wollte kürzlich "neosozial" sein. Gemeint ist etwa: im Ökonomischen die Durchsetzung betriebswirtschaftlichen Denkens, nämlich die Realisierung größtmöglichen Gewinns, während die Kosten soweit wie eben durchsetzbar auf die Allgemeinheit abgeschoben werden; und im Politischen ein Staat, der nicht länger Garant sozialer Sicherheit ist. Dafür aber baut er seine Repressionsfunktionen aus, was stets noch die Zustimmung der Wirtschaftsliberalen gewann.

Christina Kaindl (Hg.): Kritische Wissenschaften im Neoliberalismus.

BdWi-Verlag beim Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen u. Wissenschaftler e.V.
Marburg 2005.

248 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN 3924684944


Diese Entwicklungen sind real, und sie sind derart unerfreulich, dass die Intervention kritischer Wissenschaftler gefragt ist. Allerdings ist die Wissenschaft selbst einem neoliberalen Umbau ausgesetzt. Die neu gestuften Studiengänge mit ihrer qua "Modularisierung" erzwungenen Verschulung und einem brutalen Zeitdiktat, die Diskussion um Studiengebühren, die staatlich gewollte Unterfinanzierung, schließlich die Pensionierung einer Generation von Hochschullehrern, von denen viele in einer besseren Zeit politisch sozialisiert wurden, erschweren einer fortschrittlichen Wissenschaft den Weg. Wenn Christina Kaindl für den Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Band zu "Kritischen Wissenschaften im Neoliberalismus" herausgibt, so ist dies ein wichtiges und begrüßenswertes Unternehmen.

Der Band ist in vier Blöcke aufgeteilt. Im ersten umreißt Torsten Bultmann die aktuellen wissenschaftspolitischen Entwicklungen, die auf eine Unterordnung der Wissenschaft unter die Kontrolle der Ökonomie hinauslaufen. Das stößt keineswegs nur auf den Widerstand von Linken - auch konservative Standesvertreter sehen ihre Positionen bedroht. Zu Recht mahnt Bultmann eine genaue Begründung an, weshalb eine von ökonomischem Druck freie Wissenschaft gesellschaftlich nützlicher ist als eine neoliberal verstümmelte; und das setzt eine Verständigung voraus, wofür man gegenwärtig kämpfen soll und nicht nur, wogegen.

Der umfangreiche zweite Block behandelt "Grundlagen", worunter "Kapitalismus - Staat - Produktionsweise - Geschlechterverhältnisse" zu verstehen sind. Wer hier einen marxistischen Ansatz vermutet, liegt richtig. Insbesondere Sebastian Herkommer begründet in seinen beiden Beiträgen die Aktualität sowohl der marxistischen Ideologie- als auch der Klassentheorie. Alex Demirovic zeigt, wie die marxistische Staatstheorie auch für die Analyse von "einer Art globalisiertem, imperialen Netzwerkstaat" fruchtbar gemacht werden kann. Morus Markard erweist grundsätzlich die Überlegenheit kritischer Sozialwissenschaft über einen pseudopragmatischen Ansatz, der lediglich auf Optimierung innerhalb des Bestehenden zielt. Frigga Haug belegt, wie bereits bei Marx und Engels Geschlechterverhältnisse nicht lediglich als Nebenwiderspruch zu Klassenverhältnissen gedacht sind, wie diese Erkenntnisse jedoch auch schon bei ihnen beiseite rücken und wie sie heute wieder fruchtbar gemacht werden können. Wolfgang Fritz Haug beleuchtet, inwieweit die Computerisierung seit den 70er Jahren eine neue "epochale Leitproduktivkraft" bedeutet und so ein Spezifikum des gegenwärtigen Kapitalismus ist, das ihn von früheren Entwicklungsstadien abhebt.

Ein dritter Block ist der "Funktion von Utopie für kritisches Denken" gewidmet. Es versteht sich von selbst, dass die Beiträger sich der gängigen Diffamierung von Utopie als Vorstadium totalitären Mordens verweigern. Im Gegenteil ist für sie Utopie die Voraussetzung dafür, nicht dem Bestehenden kritiklos zuzuarbeiten, sondern aus der Perspektive einer Zielvorstellung den gegenwärtigen Mangel zu benennen.

Der wieder umfangreichere, abschließende Teil ist betitelt: "Ideologien konkret". Hier zeigen die Beiträger, wie falsche Vorstellungen die neoliberale Offensive flankieren. Christine Morgenstern weist nach, wie Rassismus scheinbar biologistische Vorstellungswelten hinter sich lässt und "Kultur" zum neuen Differenzmerkmal wird, das nicht weniger ausschließend wirkt. Christina Kaindl zeigt, dass rechtsextremistisches Ideengut in Zeiten postfordistischer Verunsicherung trotz aller Idiotie eine stabilisierende Wirkung haben kann. Wie ein neuer Antisemitismus in perfidem Wechselspiel von Konkretion und Abstraktion gegenwärtige Kapitalverhältnisse scheinbar erklärt, legt Barbara Fried dar. Die Rolle des Geschichtsrevisionismus - der Leugnung oder Relativierung der Nazi-Verbrechen - bis in die Gegenwart macht Gerhard Wolf deutlich, während Gerd Wiegel einen konzisen Überblick über die Historiografie zum deutschen Faschismus und die nationale Funktion jüngster Diskussionen gibt.

So bietet der Band einen umfassenden Zugang zu Ansätzen und Gegenständen einer kritischen Forschung und löst das Versprechen einer Einführung ein, das in seinem Untertitel gegeben ist. Die übersichtliche Anordnung bedeutet indessen auch ein Manko: Allzu getrennt bleiben die Aspekte. Abgesehen von Frigga und Fritz Wolfgang Haug berühren die Autoren, die sich um die marxistischen Grundlagen kümmern, kaum die Frage, inwieweit der Neoliberalismus eine besondere Entwicklungsstufe des Kapitalismus darstellt. Umgekehrt finden die in diesem Teil entwickelten Kategorien kaum Anwendung im vierten Teil, der der Konkretion gewidmet ist. Interessant ist, wie "Ideologien konkret" auf Probleme des Rassismus und Nationalismus zentriert ist, auch wenn ökonomische Ursachen dieser Ausschlussmechanismen durchaus benannt sind. Offensichtlich fand sich kein Autor, der sich mit aktuellen wirtschaftswissenschaftlichen Glaubenssätzen, ihrer Entstehung und ihren Wirkungen, auseinander setzen mochte.

So getrennt wie das grundlegende Instrumentarium von seiner Anwendung ist auch der wissenschaftspolitische Aufsatz Bultmanns vom Rest. Die Frage, ob und wie die notwendigen Analysen künftig noch wenigstens zum Teil innerhalb des staatlich subventionierten Wissenschaftsbetriebs geleistet werden und mittels universitärer Lehre eine wenn auch beschränkte Wirkung entfalten können, wird von den anderen Beiträgern gar nicht erst gestellt. Vermutlich würde die Antwort auch zu deprimierend ausfallen. Schon die Berufsverbotspolitik der 70er Jahre hat an den wenigen Instituten, an denen Marxisten einmal stark waren, Mehrheiten geschaffen, die eine grundsätzlich kritische Wissenschaft verhindern können. Ein Nachwuchs hat sich darum kaum etablieren können, der verstärkte Einsatz einer ökonomischen Steuerung von Wissenschaft tut ein Übriges. Wie dennoch kritische Wissenschaften im Neoliberalismus bestehen könnten, wäre einen eigenen Band wert.

Das prekäre Verhältnis von Grundlagen und ihrer Anwendung, von institutionellen Rahmenbedingungen und Erkenntnis entwertet den Band kaum. Was hier über das Funktionieren der gegenwärtigen Gesellschaft, genauer: ihre Fehlfunktionen zusammengetragen ist, übersteigt das gängige Niveau wissenschaftlicher oder feuilletonistischer Reflexionen bei weitem. Die genannten Desiderata zeigen nur, wie viel an wissenschaftlicher und politischer Auseinandersetzung es noch zu leisten gilt, bis der Neoliberalismus besiegt ist.

Quelle:

http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=8922&ausgabe=200601

 
 

Volksstimme, 16. Oktober 2003

Rassismus - Konturen einer Ideologie
Von LUBOMIR BRATIC

Definitionen einer sich wandelnden ideologischen Formation bietet Christine Morgenstern in einer Untersuchung zum Thema "Rassismus".

 
Rassismus kommt aus der "Mitte der Gesellschaft". Mit dieser Feststellung beginnt Christine Morgenstern ihre überaus spannende, vor kurzem beim - für die deutschsprachige Rassismusdiskussion sehr verdienstvollen - Argument-Verlag als Buch herausgegebene Dissertation "Rassismus - Konturen einer Ideologie. Einwanderung im politischen Diskurs der Bundesrepublik Deutschland".


Christine Morgenstern: Rassismus - Konturen einer Ideologie. Einwanderung im politischen Diskurs der Bundesrepublik Deutschland. 

Argument, Berlin, 2002.


Diese Mitte der Gesellschaft suggeriert, dass es "normal" ist, wenn bestimmte Gruppen von Menschen ausgeschlossen, diskriminiert, entrechtet, kriminalisiert und angegriffen werden. Das alles weil sie - definiert als "Fremde" - angeblich eine grundsätzlich andere Kategorie Menschen darstellen und in einer zu großen Anzahl eine Gefahr für "unsere Gesellschaft". Das ist der ideologische Konsens, auf den sich die PolitikerInnen und andere "Österreicherinnen und Österreicher" beziehen, wenn sie "ökonomische, soziale und politische Situationen" analysieren und Gesetze, die zu Handlungen führen, beschließen. Die Öffentlichkeit ist dabei die Arena, in der "alle an den Auseinandersetzungen Beteiligten sich bemühen, eine größtmögliche gesellschaftliche Unterstützung für die eigene Position zu erringen, um ihre politischen Konzepte gegen die der anderen Diskursteilnehmer durchsetzen zu können."


Der Rahmen dieser Auseinandersetzungen ist vorgegeben durch die bestehenden Diskursformationen der rassistischen Erklärungsmuster. Insofern ist jede Aussage innerhalb des bestehenden Konsens auch eine Fortsetzung und Tradierung eines bestimmten orts- und zeitgerechten Rassismus. Dadurch verfestigt sich auch der "juristische Sonderstatus" der MigrantInnen. Sie sind entweder blockweiße "Ausländer" und stellen dadurch eine Gefahr für das gesamte gesellschaftliche Gewebe dar, oder, der heutigen Zeit angepasster, sind sie TrägerInnen der anderen "Kulturen", die zum Beispiel in Österreich zahlreiche Abstufungen nach der Abstammung aufweisen, angefangen von den ehemalig meist katholischen kakanischen BewohnerInnen bis zu den "außereuropäischen Muslimen". Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass in der Geschichte des österreichischen Staates die Idee der "kulturellen Identität" nicht neu ist, entspringt sie doch den Schriften der Austromarxisten, die eigentlichen Urheber der "österreichischen Nation".


Die Kultur, die eingeboren ist, scheint jedenfalls heutzutage, um einen biologischen Vergleich zu bemühen, ihren festen Platz neben der DNS in den Chromosomen zu haben. Von dort aus, so in den Genen platziert, bestimmt sie, wieviel und welche Rechte jemand hat. So die rassistische Vorstellung. Und ist jemand "fremd", darf er oder sie viel weniger Rechte haben und viel stärker überwacht und kontrolliert werden. Denn die fremde "Kultur" ist eine Gefahr für die eigene "Kultur".


Rassismus in Zeiten der Globalisierung. Dem rassistischen Diskurs kommt in Zeiten der Globalisierung - durch die Einengung des Handlungsspielraums der AkteurInnen auf der politischen Bühne - eine zusätzliche Bedeutung zu. Diejenigen, die wirtschaftlich zunehmend weniger zu sagen haben, beweisen dadurch ihre strategische Handlungs- und Führungskompetenz. Das Spektrum der entsprechenden Beweise im österreichischen Staat reicht vom harten Durchgreifen (Unterkunftsrichtlinien für Flüchtlinge des ÖVP-Innenministers Strasser, unterstützt durch FPÖ), der Betonung der wirtschaftlichen Vorteile der zu integrierenden fremden MigrantInnen (SPÖ und Grüne) bis zu Mahnungen für einen menschlicheren Umgang mit "Ausländern" (SPÖ, Grüne, Kirchen und beratende und betreuende Einrichtungen, die sogenannten NGOs). "Die grundsätzliche, politische und ökonomische Benachteiligung mit daraus folgenden sozialen Ausgrenzung bleibt in den politischen Auseinandersetzungen über die Einwanderer hingegen meist unangetastet".


Die wesentliche Rolle bei der Definierung dieses Diskurses spielen in den repräsentativen Demokratien die parlamentarischen Auseinandersetzungen. "Die innerhalb legislativer Institutionen von den politischen Vertretern relevanter gesellschaftlicher Kräfte formulierten Aussagen können in Gesetzen kodifiziert werden, die spürbare Auswirkungen auf die subjektiven Alltag haben." Zur Zeit ist es so, dass die MigrantInnen als Gefahr für die Sicherheit "unseres Kulturkreises" definiert werden. Dementsprechend sind und werden ihre Rechte und Freiheiten eingeschränkt, und sie sind einer staatlichen Kontrolle und Reglementierung unterworfen, die sonst - für andere gesellschaftliche Gruppen - den grundlegendsten Werten der Demokratie widersprechen würde.


Definitionen des Rassismus. Nun ist aber Rassismus "weder an einen bestimmten gesellschaftlichen Ort noch (...) an eine eingrenzbare Zeit gebunden. Seine Vielgestaltigkeit reicht von subjektiven Vorurteilen über wissenschaftliche Theorien und politische Konzepte bis zu institutionalisierter Diskriminierung, von kaum wahrnehmbarer Ablehnung bis zur massivster rassistischer Gewalt". Mit Rassismus können sich unterschiedlichste Intentionen, sei es persönliche, gruppenspezifische bis zur allgemein politischen verbinden.


Im ersten Teil des Buches untersucht Christine Morgenstern die Definitionen des Rassismus in der Theorie. Sie spannt den Bogen von der Verhaltensforschung eines Eibl-Eibesfeldt, über die psychologischen und psychoanalytischen Theorien von Julia Kristeva und Mario Erdheim, über den kapitalismuskritischen Ansatz von Albert Memmi und Emanuel Wallerstein bis zu den in den 1980er Jahren entwickelten Theorieansatz, der eine Verbindung zwischen der Ideologietheorie eines Allthuser und der Diskursanalyse eines Foucault darstellt. Vor allem findet sie ihre theoretische Vorläufer in den Arbeiten von Stuart Hall, Robert Miles und Maxim Silverman.


Der letzte Ansatz, der sich - ähnlich der Entstehungsgeschichte des politischen Antirassismus in Österreich - entwickelte, nachdem festgestellt wurde, dass alle Solidaritätskundgebungen, alle Lichtermeere und Mahnungen zur Einhaltung der Menschenrechte nicht zur Verbesserung der Lage der MigrantInnen geführt hatten, liefert im Buch den theoretischen Background für die Analyse der Parlamentsdebatten des deutschen Bundestages zwischen 1955 und 1992. Dazu macht die Autorin, ausgehend von den Theorien Antonio Gramscis und Michel Foucaults über die Beziehung zwischen Subjekt, Ideologie und Hegemonie einige weitere begriffliche Präzisierungen. Vor allem eine klare Unterscheidung zwischen diskursiven und ideologischen Formationen ermöglicht ein weiteres systematisches Vorgehen in der Rassismustheorie. Um das zu erreichen, unternimmt sie eine Reise in die Allgemeinheit, indem sie die Gemeinsamkeiten aller Rassismen herausarbeitet. Damit wird erreicht, dass in einem zweiten Schritt "die Begriffe, Kategorien und Klassifizierungen", die auf eine rassistische Äußerung verweisen, kenntlich gemacht werden können.


Für den deutschsprachigen Diskurs muss die Definition des Rassismus auch als ideologische Formation erfasst werden. Es handelt sich dabei um spezifische Rassismen, die ohne den Begriff "Rasse" und ohne die Hervorhebung des Merkmals Hautfarbe vorkommen. Die Autorin zeigt, dass innerhalb dieser Ideologie anderen Begriffen (z.B. dem der "Kultur") die Bedeutung des Begriffs "Rasse" zukommt und dadurch die entsprechenden Ausschließungen weiterhin funktionieren. Und diese "Zuschreibungen und Bewertungen werden nur dann offensichtlich, wenn der allgemeine Konsens darüber brüchig wird". In solchen Situationen werden bei alten Deutungen ihr undemokratischer und menschenverachtender Ausschließungscharakter deutlich. Die Öffentlichkeit konzentriert sich zur Zeit vor allem auf die Versuche, neue Deutungsmuster zu finden. Diese Deutungen schaffen erst den Spielraum für die Handlungen und deren Rechtfertigungen. Eine "ideologische Formation" ist der Kanal, in dem sich bestimmte Veräußerungen, Ein- und Ausladungen der gesellschaftlichen Kräfte, die den Alltag bestimmen, ereignen.


Bis heute, so die Autorin, entscheidet die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Abstammungsgemeinschaft viel eher über die Lebenschancen eines Individuums, als dessen persönliche Fähigkeiten und Leistungen.


Das Volk und der Rassismus. Im deutschsprachigen Diskurs entstand in den Kämpfen um die Ablösung der ständischen Ordnung durch die bürgerliche Gesellschaft eine spezifische Verbindung von nationalistischer und rassistischer Ideologie. "Im Zentrum dieser Ideologie stand der Begriff 'Volk', der gleichermaßen eine biologische Abstammungsgemeinschaft wie eine mythologisierte, angeblich organisch gewachsene Schicksalsgemeinschaft meinte." Die Vorstellung vom "Deutschsein" bildete sich entlang der Abgrenzung zum jüdischen Bevölkerungsteil, dem ein Mangel an Loyalität und eine subversive Aktivität unterstellt wurden, die den deutschen Staat hinderte, seine wohlverdiente Rolle im weltpolitischen kolonialistischen Geschehen einzunehmen. Dieser rassistische Antisemitismus bestimmte zunächst die öffentliche und alltägliche Beurteilung, bis er schließlich zur Staatsdoktrin der Nationalsozialisten und zur Vernichtung der Jüdinnen und Juden führte. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Wort "Rasse" aus dem öffentlichen Diskurs verbannt. Damit benötigten die PolitikerInnen für die Ausschließungen und Diskriminierungen der MigrantInnen in der BRD und auch im österreichischen Staat eine andere Begrifflichkeit. Fortan wurde von "Fremdenfeindlichkeit", "Ausländerfeindlichkeit" und dergleichen geredet. Einen Rassismus gab es offiziell nicht, weil es offiziell auch keinen Begriff "Rasse" gab. So die vorherrschende Meinung. Die Autorin entwickelt in diesem Licht die rassistischen Vorgangsweisen um das deutsche "Anwerbesystem", um die "Fremdarbeiter", um den Anfang der 1970er Jahre verhängten "Anwerbestop" bis zum Aufkommen der sogenannten "Integrationspolitik" und damit als letzte große Station den "Multikulturalismus" in den 1980er Jahren.


Fazit dabei ist, dass in den Prozessen der achtziger und neunziger Jahre ein zeitgemäßer, differenzierter Rassismus entstand, der in der Ausgrenzung einer Bevölkerungsgruppe besteht, deren "Fremdheit" an Merkmalen, die für charakteristisch erklärt, äußerlich sichtbar gemacht werden, und anhand von diesen darauf zurückgeführt wird, dass sie in allen geistigen, seelischen und körperlichen Belangen gänzlich und unabänderlich "anders" sein.

Das "Büro für ungewöhnliche Maßnahmen" (BUM) ist eine Organisationseinheit der Initiative Minderheiten im Rahmen der Entwicklungspartnerschaft "open up", die von Peregrina -Bildung-, Beratungs- und Therapiezentrum für Immigrantinnen, koordiniert und von BMWA und ESF gefördert wird. Weitere Kooperationspartner sind MAIZ und das Pädagogische Institut der Universität Graz.

Online-Ausgabe der Volksstimme
http://www.volksstimme.at/arch/woche/2003/42-11-01.html

 

Frankfurter Rundschau, 6.6.2003, Das politische Buch, Seite 12

Der Migrant und die Politik
Konjunkturen des europäischen Rassismus

Von Jens Kastner

 

Wer hierzulande von Rassismus spricht, bezieht sich in der Regel auf die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft. Mit der Kategorie "Rasse" war im Nachkriegsdeutschland auch der Begriff Rassismus diskreditiert, und was in Frankreich oder England auch gegenwärtig als "rassistisch" bezeichnet wird, heißt bei uns "ausländerfeindlich". Allerdings findet sich Rassismus nicht nur da, wo auf die Vorstellung menschlicher Rassen Bezug genommen wird. Auch die weit verbreiteten Ideen von "Abstammungsgemeinschaften" oder unveränderlichen Kulturen schließen von der behaupteten Gruppenzugehörigkeit auf individuelle Charaktereigenschaften und ordnen diese hierarchisch an.

Diese Form des Rassismus genauer zu beschreiben gelingt Christine Morgensterns in ihrer Studie zum politischen Diskurs der Einwanderung in Deutschland. Die ausführliche Analyse der Bundestagsdebatten zum Thema ist einerseits eingebettet in historische Betrachtungen, in denen die Autorin die Entstehung des modernen Rassismus in Deutschland als ein Resultat der Verbindung von archaischem Antijudaismus und wissenschaftlichem Rassismus nachzeichnet. Andererseits ist der Fokus auf die Parlamentsdebatten nur nachzuvollziehen durch den ersten, theoretischen Teil der Arbeit.

Rassismus wird hier mit Hilfe von Ideologie- theorie und Diskursanalyse als ideologische Formation bestimmt. Eine solche entsteht in der Verknüpfung von Wissen und gesellschaftlicher Macht und vermag die Allgegenwart rassistischer Phänomene zu erklären. 


Alex Demirovic / Manuela Bojadzijev (Hrsg.):
Konjunkturen des Rassismus. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2002, 333 Seiten,
24,80 Euro.

Christine Morgenstern: Rassismus. Konturen einer Ideologie. Einwanderung im politischen Diskurs der Bundesrepublik Deutschland.
Argument Verlag, 
Hamburg 2002, 
496 Seiten, 29,90 Euro.

Findet also in bestimmten, diskursmächtigen Bereichen wie dem Bundestag eine Bedeutungskonstruktion von Fremden als minderwertig, bedrohlich oder auch nur lästig statt, können diese Konstruktionen über die Ideologie Eingang in den Alltagsverstand finden. Rassistische Ideologie stellt damit nicht nur "zweifelhaftes Wissen dar, sie ist zugleich soziale Realität" (Morgenstern).

Mit dem Zusammenhang von institutionellem und alltäglichem Rassismus beschäftigt sich auch der von Alex Demirovic und Manuela Bojadzijev herausgegebene Sammelband. Eine Begriffsbestimmung von Rassismus dürfe, so die HerausgeberInnen, dabei weder zu eng noch zu weit geraten. Zu eng sei die Analyse, wenn Rassismus als Randphänomen ausgemacht und auf rechte Gruppierungen, Parteien, Intellektuelle beschränkt wird oder wenn die Ursachen bei den Marginalisierten gesucht werden, die ihren Hass falsch kanalisierten. Zu weit sei sie, wenn "Fremdenfeindlichkeit" und Rassismus als Universalien betrachtet werden, also als anthropologische Konstante, soziologische Normalität der Industriegesellschaft oder psychologische innere Fremdheit.

Rassismus, so Bojadzijev / Demirovic, ist "eine Form der sozialen Auseinandersetzung" und als solche nicht stabil. Es bedarf also der Beobachtung von Konjunkturen des Rassismus. Die gegenwärtig eloquente Form, die die völkisch-nationalistische abzulösen beginnt, ist, das können die Einzelbeiträge zeigen, der an neoliberale Politiken geknüpfte Rassismus. Während Eva Kreisky oder Christian Christen in ihren Beiträgen zu Österreich beziehungsweise zu Italien direkt mit dem politischen Zusammengehen von Neoliberalismus und Rechtspopulismus zu tun haben, bietet sich diese Verbindung in Deutschland nicht. Die Reduktion von Menschen auf rechtlich-bürokratisch bestimmte Exemplare in der europäischen Asylpolitik oder der Integrationsdruck auf MigrantInnen bilden den realpolitischen Hintergrund, vor dem die unterschiedlichen Länderbeispiele wieder zusammengeführt werden.

Am deutschen Beispiel erläutern Serhat Karakayali und Vassilis Tsianos den Zusammenhang von Markt und Rassismus mit der Metapher vom "Migrationsregime". Gemeint sind damit alle die Migration strukturierenden und kontrollierenden Praktiken, die im engen Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Entwicklungen analysiert werden. Während bis in die frühen 1970er Jahre die fordistische Produktionsweise eine staatliche Regulierung der Einwanderung nach Arbeitsmarktkriterien erforderte, reagiere der Staat in postfordistischen Zeiten lediglich auf die Abkopplung von Angebot und Nachfrage. Rassismus ist in diesem ökonomistischen Modell nur als "die Institutionalisierung der durch die internationale Arbeitsteilung durchgesetzten Hierarchien" zu verstehen.

Eine eigene kulturelle Dimensionen, wie beispielsweise Etienne Balibar sie aufzeigt, gerät damit nicht in den Blick. Zwar betont auch Balibar die entscheidende Rolle des Staates bei der sozialen Konstruktion von ethnischen Gruppen, betont aber zugleich die Wirkungskraft kultureller Deutungsmuster. Diese lassen sich eben nicht von wirtschaftlichen Gegebenheiten ableiten, sind aber für die Erklärung von Rassismus unabdingbar.

Konkretisiert wird diese Notwendigkeit von Jost Müller, der den rassismustheoretischen Blick auf den Alltag einfordert. Ähnlich wie Morgenstern verbindet Müller theoretisch ambitioniert Ideologiekritik, Diskursanalyse und Ideologietheorie und weist die Alltagswelt als umkämpften Ort der Reproduktion aus, in dem zwar die staatlichen Apparate präsent sind, der aber ebenfalls von sozialen Machtverhältnissen durchzogen ist. Um diese Ebenen des Rassismus inklusive seiner permanenten Verschiebung theoretisch einzuholen, scheinen die in beiden Büchern vertretenen Ansätze aus den Disziplinen der kritischen Diskursanalyse und der materialistischen Staats- und Rassismustheorie tatsächlich am besten geeignet. Ein anderer, eher am Rande des wissenschaftlichen Feldes zu verortender Vorzug dieser theoretischen Ansätze ist ihr Selbstverständnis: Rassismus soll hier nicht nur erklärt, sondern auch bekämpft werden. Und dafür ist es unumgänglich, ihn auch so zu nennen.

Copyright © Frankfurter Rundschau 2003
Dokument erstellt am 05.06.2003 um 18:16:08 Uhr
Erscheinungsdatum 06.06.2003

Frankfurter Rundschau online

 

Zeitschrift der Ausländerbeauftragten des Landes Niedersachsen
BETRIFFT 1/2003, Seite 23

Kein bloßes Hirngespinst


Christine Morgenstern: Rassismus Konturen einer Ideologie. Hamburg 2002, ISBN 3-88619-292-X


Zweierlei ist der Rassismus: Falsches Wissen und soziale Realität. Beide Dimensionen bleiben bis in die mikrophysischen Räume der Macht hinein aufeinander bezogen. Rassismus ist also kein bloßes Hirngespinst sondern wirkmächtige Ideologie, die ihren vermeintlichen Gegenstand "Rasse" neuerdings durch "Kultur" und "Ethnie" verändert, in ihrer Rechtfertigung von Herrschaftsansprüchen und Machtbeziehungen aber identisch bleibt. Morgenstern ist mit der vorliegenden Auseinandersetzung ein substantieller Beitrag zur Debatte um Rassismus und Einwanderung gelungen.


Argument Verlag, Eppendorfer Weg 95, 20259 Hamburg, Tel: 040/40180014, Fax: 040/40180020

 

Österreichische HochschülerInnenschaft,
14.04.2003, Internetseite

"
Rassismus – Konturen einer Ideologie"

Das neue "Muss" nicht nur für SozialwissenschafterInnen

Christine Morgenstern legt mit diesem 500 Seiten starken Meisterwerk eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Ideologie des "Rassismus" vor. Die dreiteilige Dissertation beginnt mit einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Begriff "Rassismus" und fragt dabei nicht nur nach den Ursachen dieses gesellschaftlichen Phänomens, sondern beschäftigt sich auch mit der Verankerung und Kategorisierung desselben in der Gesellschaft.

Diese Einführung bietet dann die Grundlage zur intensiven Auseinandersetzung mit der "Herausbildung des "deutschen" Rassismus" im zweiten Teil der Lektüre. Den Erläuterungen und Analysen der problematischen und fatalen Verbindung von "Rassismus" mit "Antisemitismus" werden in diesem Kapitel breiten Raum gegeben um schlussendlich auf die rassistischen Diskurse im deutschen Bundestag überzuleiten.

In diesem Teil des Buches werden dann die zeitgenössischen politischen Kontroversen um die Thematiken "Ausländer" und "Asyl" im Parlament der Bundesrepublik Deutschland auf ihren "Rassismusgehalt" untersucht und dargestellt inwiefern altbekannte Begrifflichkeiten sich hier in neuem Gewand wiederfinden lassen.

Die profunde Art und Weise der begrifflichen Auseinandersetzung macht diesen Beitrag zur wissenschaftlichen Rassismusdiskussion unabdingbar.

Einprägend und leicht verständlich dargebracht stellt dieses Werk eine nicht nur für SozialwissenschafterInnen prädestinierte Lektüre dar, sondern auch für Studierende anderer Studienrichtungen und politisch Interessierte.

Österreichische HochschülerInnenschaft 

 

Empfehlungen und Hinweise
 

Mediathek gegen Rassismus

Projekt des Antidiskriminierungsbüros Siegen

mediathek-gegen-rassismus.de

 

Amt für multikulturelle Angelegenheiten Stadt Frankfurt am Main

AmkA - Aktionswochen gegen Rassismus

 

Museum der Arbeit  Wiesendamm 3 | D-22305 Hamburg-Barmbek

museum-der-arbeit.de

 

Gesicht Zeigen! Aktion weltoffenes Deutschland e.V.

"Eine hervorragende Dissertation über Rassismus, die wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem angloamerikanischen und französischen Raum auf die Bundesrepublik überträgt."

GesichtZeigen.de

 

no-racism.net Für eine Welt ohne Rassismus

no-racism.net

 

adf-berlin Anti-Defamation Forum

adf-berlin.de

 

asyl.net Der Informationsverbund Asyl

asyl.net

 

turkischweb.com Bildungsportal

turkischweb.com

 

frauenliteratur.de Lillemor's Frauenbuchladen GmbH, München

frauenliteratur.de/druck-katalog

 

IDA e.V.

Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit
IDA-Infomail, Nummer 6, Dezember 2002, 3. Jg.

IDAeV.de

 

Buch des Tages 24. Februar 2003 
präsentiert von Grundbegriff

Buch-des-Tages.de

 

bruecke-saarbruecken.de Forum für antirassistische Politik und Kultur

bruecke-saarbruecken.de