Gegenstrategien

 

Woran erkennt man Rassismus?

–   Gesellschaftlich akzeptierter Rassismus

Wer ist Rassist?

 

Was tun?

Jugend-Arbeit

Literatur

 

 

 

 

 

Woran erkennt man Rassismus?

 

 

Rassismus wird nicht an irgendeinem weit entfernten Ort produziert. Er dient keinen geheimen Interessen und ist nicht im Besitz bestimmter gesellschaftlicher Gruppen. Rassistische Ideologie wird auf allen sozialen Ebenen und in allen gesellschaftlichen Bereichen tagtäglich in materielle Realität umgesetzt.

 

Rassismus besteht darin, dass Menschen rassistische Begriffe und Kategorien benutzen, um sich in ihrer persönlichen und in der gesellschaftlichen Situation zurechtzufinden und dementsprechend zu handeln.

 

Jedes Mal, wenn die Hautfarbe oder die »fremde« Herkunft mit darüber entscheidet, welche Schulnote, Arbeit oder Wohnung jemand bekommt oder nicht, wird rassistische Ideologie Wirklichkeit. Jede Äußerung, Handlung oder Unterlassung, die sich auf rassistische Begriffe und Kategorie gründet, bildet einen Teil des Prozesses, in dem aus rassistischer Ideologie Rassismus wird.

Gesellschaftlich akzeptierter Rassismus

Basierend auf der Annahme, es existierten unterschiedliche Menschenkategorien, die dem entsprechend verschieden behandelt werden müssten, kann wirtschaftliche, soziale und politische Ungleichheit gerechtfertigt werden.

 

 

Die Ungleichbehandlung von Bevölkerungsgruppen, von Mehrheit und Minderheit, erscheinen dann als selbstverständlich. Entspricht sie doch lediglich den vorausgesetzten »naturgegebenen«, »unveränderlichen« und »erblichen« Differenzen zwischen den einen und den anderen.

 

Finden darauf basierende politische Konzepte die Zustimmung politischer Mehrheiten, gehen aus rassistischer Ideologie Gesetze, Rechtsnormen und Verwaltungsvorschriften hervor. Sie sollen vor der »Fremdheit«, dem scheinbar bedrohlichen »Anderen« schützen und die vertraute Sicherheit und Ordnung wieder herstellen. Tatsächlich erklären sie lediglich Diskriminierung für legitim und notwendig.

 

Die Ungleichbehandlung von Menschen allein wegen ihrer angeblich »fremden« Herkunft wird offiziell geltende gesellschaftlichen Umgangsweise: im Alltag, im Bildungssystem und in Behörden, in der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Kultur und den Medien.

 

Unter diesen Bedingungen werden die Rechte, der soziale Status und die Chancen eines Menschen maßgeblich von seiner rassistisch konstruierten Kategoriezugehörigkeit, als schwarz oder weiß, Inländer oder Ausländer, aus dem Westen oder aus der restlichen Welt, bestimmt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Wer ist Rassist?

 

 

Rassismus kommt nicht aus dem persönlichen Erfahrungsschatz und entsteht nicht im individuellen Bewusstsein einzelner Menschen.

 

Wir alle formulieren unsere Absichten, unsere Erfahrungen und Einschätzungen innerhalb von Ideologien, im Rahmen und auf der Grundlage der Worte, der Denkmuster und Verhaltensweisen mit denen wir aufgewachsen sind. Dazu gehört bei uns allen auch Rassismus.

 

Wir haben gelernt, zwischen dem guten, zivilisierten, fortschrittlichen »Westen« und dem primitiven, unzivilisierten, rückständigen »Rest« zu unterscheiden. Doch wir können auch die Erfahrung machen, dass diese Unterscheidung und die damit verbundenen Zuschreibungen falsch sind. Gleichzeitig wissen wir immer noch, was gemeint ist, wenn jemand sagt, ein Land oder eine Kultur sei nicht westlich.

 

 

Wir alle müssen durch die "Ideologien hindurch sprechen, die in unserer Gesellschaft wirksam sind". Zu ihnen gehört auch der Rassismus.

 

Die Strukturen dieser Ideologie veranlassen uns immer wieder so zu tun, als gäbe es »von Natur aus« unterschiedliche und verschiedenwertige Kategorien von Menschen. Dies ist "kein individueller, sondern ein kollektiver Vorgang bzw. eine kollektive Praxis". (vgl. Hall, 1989, 151)

 

 

Hall, Stuart, 1989, Ausgewählte Schriften, Hamburg/Berlin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was tun?

 

 

Wir können nicht jedes Wort, das wir benutzen, und jede Annahme, von der wir ausgehen, hinterfragen. Dennoch sind wir für die Begriffe und Kategorien verantwortlich, die wir wählen, um eine Situation zu beurteilen.

 

Ist es wichtig, welche »Herkunft« oder Hautfarbe die Beteiligten eines Geschehens aufweisen? Spielt dieses Merkmal wirklich eine Rolle für einen Konflikt in der Schule, im Büro, an der Supermarkttheke oder für eine gesellschaftliche Auseinandersetzung?

 

Je unbewusster die rassistische Ausrichtung des eigenen Handelns bleibt, desto eher richtet es sich an rassistischen Kategorien, Unterscheidungskriterien und Bewertungen aus und reproduziert damit Rassismus.

 

Menschen, die es gewohnt sind, persönliche Erlebnisse und gesellschaftliche Ereignisse anhand rassistischer Kategorien und Kriterien beurteilen, sind oft für jeden Gegenbeweis unzugänglich. Für sie existieren die verschiedenen Menschenkategorien des Rassismus wirklich.

 

 

Geschehnisse beurteilen zu wollen, ohne den vermeintlich relevanten Aspekt der »rassischen«, »ethnischen« und »kulturellen« Zugehörigkeit zu berücksichtigen, erscheint aus dieser Sicht uninformiert, unrealistisch und naiv.

 

Doch »Rassen«, »Kulturen« und »Ethnien« sind lediglich vorgestellte Gemeinschaften, sie sind gesellschaftliche Fiktionen, keine biologischen Realitäten. Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, jede Situation und jeden Konflikt darauf hin zu überprüfen, wie die Bewertung des Geschehens ausfällt, wenn man alle »rassischen«, »ethnischen« und »kulturellen« Kriterien außer Acht lässt.

 

Soziale Beziehungen und gesellschaftliche Verhältnisse können nicht danach beurteilt werden, welcher »Rasse«, »Kultur« oder »Ethnie« die daran beteiligten Menschen vermeintlich angehören. Rassistische Ideologie stellt die Welt falsch dar und führt deshalb immer zu falschen Lösungen für wirkliche Probleme.

 

Näheres: Morgenstern, 2001, Seite 44ff.

 

 

 

 

 

 

 

 

Jugend-Arbeit

"Gegen Rassismus, rechte Ideologien und gewalttätige Formen des Umgangs miteinander werden sich Kinder und Jugendliche nur dann erfolgreich und dauerhaft zur Wehr setzen können, wenn sie dies zu ihrer eigenen, ganz persönlichen Sache gemacht haben.

 

Sie müssen den Raum haben, selbst herauszufinden, mit welchen Problemen sie sich beschäftigen wollen und in welche Angelegenheit sie die Nase stecken möchten. Weder die bloße Vermittlung von Informationen noch der didaktische Versuch, Betroffenheit zu erzeugen, können zu sozialem und verantwortlichem Handeln führen.

 

Jugendliche sollten sich mit ihren Erfahrungen befassen und eigene Erkenntnisse darüber gewinnen können." Nur dann sind sie in der Lage, sich mit Problemen, mit denen sie konfrontiert sind, auseinander zu setzen, sie zu analysieren und angemessen darauf zu reagieren."

 

Aus: Morgenstern, 2001, Seite 55

 

 

 

     

 

 

 

Literatur 

 

 

Balibar, Etienne/Immanuel Wallerstein, 1990, Rasse Klasse Nation. Ambivalente Identi­täten, Hamburg/Berlin

 

Balibar, Etienne, 1993, Die Grenzen der Demokratie, Hamburg

 

Hall, Stuart, 1989, Ausgewählte Schriften, Hamburg/Berlin

 

Kalpaka, Annita/Nora Räthzel, 1990, Wirkungsweisen von Rassismus und Ethnozentrismus, in: Die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein, Hg. Kalpaka/Räthzel, 2. völlig überarbeitete Auflage, Leer

 

Miles, Robert, 1991, Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs, Hamburg

 

Morgenstern, Christine, 2001, Rassismus Macht Fremde. Begriffsklärung und Gegenstrategien. Mit Texten von Annita Kalpaka und Ursula Lischke, Hg. IDA e.V., Düsseldorf

 

Morgenstern, Christine, 2002, Rassismus – Konturen einer Ideologie. Einwanderung im politischen Diskurs der Bundesrepublik Deutschland, Hamburg

 

Poliakov, Léon/Christian Delacampagne/Patrik Girard, 1992, Rassismus – Über Fremdenfeindlichkeit und Rassenwahn, Hamburg/Zürich

 

Silverman, Maxim, 1994, Rassismus und Nation. Einwanderung und Krise des Nationalstaats in Frankreich, Hamburg/ Berlin

 

Morgenstern, 2001:

 

Rassismus Macht Fremde

Begriffsklärung und Gegenstrategien

Reader für MultiplikatorInnen in der 
Jugend- und Bildungsarbeit.

 

 Inhaltsverzeichnis

 

Entwickelt und zusammengestellt von 
Christine Morgenstern. Mit Texten von Annita Kalpaka und Ursula Lischke. 

 

Herausgegeben vom Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V.