Geschichte

 

Herkunft des Rassismus

 

Anfänge in der Aufklärung

 

Vier »Klassen« des Menschen

 

Rassismus und Wissenschaft

 

 

 

Herkunft des Rassismus

Rassismus ist keineswegs ein Relikt vormoderner Zeit, das letztlich durch Vernunft, Aufklärung und Erziehung zu beseitigen sei. Die wesentlichen Grundlagen jeder Form rassistischer Ideologie entstanden mitten in der europäischen Aufklärung. 

Anfänge in der Aufklärung

Descartes, Leibniz und Newton hatten Mitte des achtzehnten Jahrhunderts die wesentlichen Ausgangspunkte moderner Wissenschaft formuliert. Nach dem antiken Vorbild Aristoteles beschäftigten sich Naturwissenschaftler mit der Sammlung, Katalogisierung und Klassifikation möglichst zahlreicher Exemplare aus 
Fauna und Flora.

 

Der Begriff »Natur« bezeichnete nun nicht mehr eine allumfassenden göttlichen Schöpfung, sondern eine objektiv messbare und zu katalogisierende Größe. »Natur« gilt seither als System konstanter Relationen, das nach bestimmten einheitlichen Prinzipien aufgebaut sei, die es zu erkennen gelte.

 

Hobbes und Locke veröffentlichten ihre gegensätzlichen Einschätzungen von Gesellschaft und menschlicher Natur und Montesquieu untersuchte die Geschichte des Römischen Reiches auf Naturgesetze des sozialen und historischen Wandels hin.

 

Während die herausragendsten, fortschrittlichsten, aufgeklärtesten Wissenschaftler die zentralen weltanschaulichen Fragen der Neuzeit erörterten und Vorstellung von messbarer Objektivität, geschichtlicher Entwicklung und Individualität entwickelten, entstanden auch neue Erklärung für die Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung anderer, fremder und angeblich minderwertiger Menschen. 

 

Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert wurden Systeme zur Katalogisierung, Beurteilung und Klassifizierung von Tieren und Pflanzen entwickelt, die schließlich auch auf den Menschen angewandt wurden. So wurde aus der Menschheit in die Gattung homo sapiens, deren Exemplare vermessen, verglichen, anhand bestimmter Merkmale unterschieden und in verschieden bewertete Kategorien einsortiert wurden.

 

   

Näheres: Morgenstern, Christine, 2002, Rassismus – Konturen einer Ideologie. Einwanderung im politischen Diskurs der Bundesrepublik Deutschland, Seite 135 ff.

 

     
     

Vier »Klassen« des Menschen

Carl von Linné (1), der im achtzehnten Jahrhundert die Grundlagen der modernen Biologie legte, unterschied vier »Klassen« des Menschen. 

Zunächst unterteilte er sie nach ihrem geographischen Vorkommen. Anschließend ordnete er ihnen, neben spezifischen körperlichen Merkmalen, je eines der vier Temperamente zu. So wurde jeder der vier »Klassen« die »ihrem« Temperament entsprechenden seelischen, geistigen und sozialen Eigenschaften zugeschrieben:

"Die Amerikaner haben eine rothe Haut, ein galligtes oder cholerisches Temperament und eine gerade Statur. Die Haare sind schwarz, gerade und dicke. Die Nasenlöcher weit, das Angesicht voller Sommersprossen, ein fast glattes Kinn. Sie sind hartnäckig, fröhlich, lieben die Freyheit, sie gehen meistens nackend, bemahlen sich mit rothen Strichen und lassen sich durch alte Gewohnheiten beherrschen.

Die Europäer haben eine weisse Haut, ein blutreiches und sanguinisches Temperament, und einen fleischigten Körper. Die Haare sind gelblicht und mit Locken, die Augen blau, die Gemüthsart wankelmütig, vernünftig, und zu Erfindungen geschickt. Sie tragen Kleider, welche dicht an den Leib schliessen, und lassen sich durch Gesetze regieren.

Die Asier haben eine braune Haut, ein schwarzgallichtes oder melancholisches Temperament, und eine zähe Structur. Ihre Haare sind schwarz, die Augen sind grau, die Gemüthsart ist streng, sie lieben Pracht, Hoffart und Geld, ihre Kleider hangen weit um den Leib, und sie lassen sich durch Meinungen regieren.

Die Africaner endlich haben eine schwarze Haut, dabey aber ein wässerichtes oder melancholisches Temperament, die Haare sind wollicht, schwarz und krauß. Die Haut ist sanft wie Sammet, die Nase platt, die Lippen dicke und aufgeworfen. Ihre Weiber haben lange niederhängende Brüste. Die Gemüthsart ist boshaft, faul, nachlässig. Sie beschmieren sich mit Fett, und werden durch Willkühr regieret.“

 

Aus: Linné, 1773, Vollständiges Natursystem, Erster Theil, Seite 89; vgl.:  Morgenstern, Christine, 2002, Rassismus – Konturen einer Ideologie. Einwanderung im politischen Diskurs der Bundesrepublik Deutschland, Seite 137

 

(1) Carl von Linné (vor 1762 Carl Linnaeus), schwedischer Naturforscher, 1707-1778. Legte den Artbegriff fest. Ordnete den Menschen erstmals seit der Antike wieder ins Tierreich ein. Prägte die Bezeichnung homo sapiens für die menschliche Art. 

 

     

Rassismus und Wissenschaft

Die frühen Vertreter der modernen Wissenschaft nahmen an, wie bei Hunden oder Pferden, müsste der äußerlichen Verschiedenheit der einzelnen Menschengruppen eine spezifische innere Wesensart entsprechen. 

Doch außer sich häufig widersprechenden Berichten Reisender und Kolonialisten lagen ihnen kaum Informationen über die außereuropäischen Menschen vor. Die wenigsten Forscher reisten selbst, also konnten sie über die Eigenschaften der Nichteuropäer nur spekulieren.

 

So interpretierte jeder Wissenschaftler die eigenen Moral– und Wertvorstellungen in die Beschreibung der verschiedenen Menschensorten hinein. Die Anzahl, die Unterscheidungskriterien und die der einzelnen Kategorie zugeschriebenen Eigenschaften wechselten ebenso wie die Bezeichnung als Klasse, Varietät, Volk oder Rasse. 

Bei all diesen Darstellungen handelt es sich jedoch um willkürliche Unterscheidungen, die mehr über ihren Erfinder und dessen Zeit verraten, als über die »Natur des Menschen«.