Politik und Ideologie

 

Politik auf Kosten von Minderheiten

–    Vom Gastarbeiter zum Ausländer

–     Unterteilung in gute und schlechte Ausländer

Kulturelle Differenz

–    Das 'Asylanten-Problem' 

    Falsche 'Problemlösung

 

Zu- oder Einwanderung? 

–     Ein spezifisch deutsches Problem

–     Vom Ausländer zum Zuwanderer  

 

 

Literatur



 

 

 

 

Politik auf Kosten von Minderheiten

  

Vom Gastarbeiter zum Ausländer

Im Laufe der achtziger und neunziger Jahre entwickelte sich in der Bundesrepublik Deutschland eine neue Weise über Einwanderer zu sprechen und mit ihnen umzugehen.

 

In einander widersprechenden ökonomischen, politischen und sozialen Prozessen war eine Einwandererminderheit entstanden, die allerdings nicht so bezeichnet wurde. Sie bestand aus ehemals zur Förderung der deutschen Wirtschaft angeworbenen ausländischen Arbeitskräften, sowie aus Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen.

 

Bis Ende der achtziger Jahre wurde die Existenz der Einwandererminderheit offiziell von allen politischen Seiten geleugnet. Erklärt wurde stattdessen, es handele sich um 'Gast'-Arbeiter, die länger geblieben waren, als vorgesehen. Diese 'Ausländer' würden aber bald in ihre 'Heimatländer' zurückkehren.

 

Doch ein Großteil der Eingewanderten, die so genannten ‚Ausländerkinder’, waren bereits in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen. Hier war ihre Heimat. Die Heimat ihrer Eltern oder Großeltern kannten sie nur aus dem Urlaub.

Unterteilung in gute und schlechte Ausländer

Mit der europäischen Einigung erhielten die ehemals als ausländische Arbeitskräfte angeworbenen Bürger der alten und inzwischen neuen EU-Staaten (Italien, Griechenland, Spanien, Portugal) mehr Rechte und soziale Sicherheit. Für die Bürger aus Nicht-EU-Staaten wie Türkei, Jugoslawien und Marokko galt dies jedoch nicht. Sie wurden weiterhin öffentlich zur ‚Rückkehr’ in ihre ‚Heimat’ aufgefordert.

 

Der Unterschied im Rechtsstatus führte zur Ungleichheit der Chancen. Der Zugang zu Bildung, Wohnung, Arbeit etc. unterschied sich nun nicht mehr nur zwischen Angehörigen der ‚deutschen’ Mehrheits­gesellschaft und der Einwanderer­minderheit.

 

In der Wahrnehmung der Deutschen gab es plötzlich mehrere verschiedene Kategorien von Ausländern. Die unterschiedlichen Bedingungen unter denen sie in der Bundesrepublik lebten, führte zu gravierenden Differenzen in gesellschaftlichem Ansehen und sozialem Status.

 

Manche Einwanderergruppen schienen weitgehend unproblematisch, einige galten sogar als kulturelle Bereicherung. Andere Ausländerkategorien wurden dagegen weiterhin als anders und fremd betrachtet. Sie galten als Belastung des deutschen Gemeinwesens und als Gefahr für den sozialen Frieden.

Kulturelle Differenz

Die Unterschiede zwischen den so entstandenen Einwanderergruppen wurden öffentlich mit ihrer unterschiedliche großen ‚kulturellen’ Differenz zur deutschen Gesellschaft erklärt. Im Gegensatz zu Menschen aus ‚westlichen’ Staaten könnten sich Menschen aus ‚nicht-westlichen’, ‚rückständigen’ Ländern in der Bundesrepublik nicht an die deutsche Lebensweise anpassen. Das sei zwar bedauerlich, aber nicht zu ändern.

 

Die Grenze zwischen dem ‚Westen' und dem Rest wurde explizit zwischen ‚den Türken’ und ‚uns’ gezogen. Immer wieder wurden ‚die Türken’ mit beliebigen  sozialen Problemen in Verbindung gebracht: Mit Arbeitslosigkeit, Armut, Kriminalität, Gewalt oder Drogenhandel . Sie wurden für Mängel im Schulsystem oder für Wohnungsnot verantwortlich gemacht.

 

 

Erklärt wurde dies mit mangelnder Integrationsfähigkeit. Beweis: oben genannte gesellschaftliche Missstände. Ursache: Zu große kulturelle Differenz. Damit war ein Problem definiert, dass sich scheinbar leicht lösen lässt: Durch Rückkehr, Ausweisung, Abschiebung. Mit der Begründung, schließlich gehörten ‚sie’ gar nicht hier her.

 

So bekommt man am Ende heraus, wovon man von Anfang an ausgegangen ist. 

Das 'Asylanten-Problem' 

Zu den als ‚nicht-westlich’ und ‚rückständig’ definierten Regionen zählen alle Länder der sogenannten ‚Dritten-Welt'’. Menschen, die von dort kommen, gelten grundsätzlich als in die ‚deutsche’ Gesellschaft ‚nicht-integrierbar’.  Ihnen wird zugeschrieben, sie könnten sich nun einmal nicht spurlos einfügen.

 

Mit ihrem 'Anders-Sein' gefährdeten sie das gewohnte soziale Zusammenleben in der Bundesrepublik und verursachten Ängste bei der einheimischen Bevölkerung.

 

Breite Zustimmung fand diese immer wieder öffentlich geäußerte Behauptung in der Bundesrepublik besonders in den neunziger Jahren. Zu dieser Zeit war das soziale Zusammenleben in Ost- und in Westdeutschland tatsächlich gefährdet. Die Durchsetzung neoliberaler Wirtschafsstrukturen und die sogenannte Wiedervereinigung führte zu gravierenden Veränderungen der Lebensverhältnisse . Die Arbeitslosigkeit stieg, die sozialen Sicherungssysteme wurden abgebaut und der Druck auf den Einzelnen wuchs. Das rief Verunsicherung und Existenzängste hervor.

 

Maßgebliche Politiker und ‚Experten’ erklärten, Auslöser der zunehmenden Ängste und Befürchtungen sei die Konfrontation mit zu vielen, zu fremden Menschen. Die außerdem, das wurde stets hinzugefügt, die Sozialsysteme überlasteten. Die einzig Lösung dieses Problems bestünde darin, die Anzahl dieser 'Fremden' zu verringern.

Falsche ‚Problemlösung’

Als sich die Wut einiger Teile der Bevölkerung auf die vermeintlichen Verursacher aller ihrer Probleme zu richten begann, wurde dies als Bestätigung der Kulturkonflikt-These dargestellt. Selbst angesichts von Pogromen und rassistischen Morden erklärten etabliert Politiker, jetzt müsse dem »Missbrauch des Asylrechts« endgültig ein Riegel vorgeschoben werden. Als Ursache für die Eskalation rassistischer Gewalt wurden deren Opfer hingestellt.

 

Wer ein ‚entschlossenes Vorgehen’ gegen eine angeblich ‚gefährliche’ oder einfach ‚nicht hierher gehörende’ Minderheit ankündigt, kann zumindest kurzfristig mit Zustimmung rechnen. Denn: Es ist leicht Minderheiten für Probleme verantwortlich zu machen, wenn sie über weniger Rechte, sozialen Rückhalt und daher über weniger Möglichkeiten verfügen, sich dagegen zu wehren.

 

Aber: Scheinbare Problemlösungen auf Kosten von Schwächeren, sind eben keine. Und wer noch so entschieden gegen Ausländer, Einwanderer, Flüchtlinge oder andere vermeintlich ‚Fremde’ vorgeht, die wirklichen gesellschaftlichen Probleme werden dadurch mit Sicherheit nicht gelöst (vgl. Morgenstern, 2002, Teil 3).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Warum Zu- und nicht Einwanderung?

 

 

In Großbritannien, Frankreich oder den USA heißen Menschen, die aus anderen Regionen dieser Welt kommen und sich mit staatlicher Erlaubnis niederlassen, um dort zu arbeiten und mit ihren Familien zu leben, Einwanderer. In der Bundesrepublik Deutschland nannte man sie erst ‚Fremdarbeiter’, dann ‚Gastarbeiter’, dann ‚Ausländer’ und jetzt ‚Zuwanderer’. Warum spricht man nicht auch hier von Einwanderern?

Ein spezifisch deutsches Problem

Lange bestand ein allseitiger politischer Konsens darüber, das die Bundesrepublik Deutschland ‚kein Einwanderungsland’ sei. Erst in den achtziger Jahren stellten vor allem die Grünen diese gemeinsame Übereinkunft öffentlich in Frage. Allerdings bis heute nicht mit durchschlagendem Erfolg.

 

An den beiden folgenden Beispielen aus Bundestagsreden der achtziger Jahre lässt sich die Argumentation erkennen, die mit nur geringfügigen Veränderungen bis in die Gegenwart weitergeführt wird.

 

Willfried Penner, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: 

 „Die Bundesrepublik ist kein Einwanderungsland. Sie wird in den nächsten Jahren genug daran zu tun haben, die Arbeitnehmer und deren Familien aus den Staaten der Europäischen Gemeinschaft, für die ja Freizügigkeit verbrieft ist, zu integrieren, soweit sie das wünschen, und Familienzusammenführung zu ermöglichen [...]. 

 

Diese Schwierigkeiten werden nicht geringer, eher größer, sobald die EG durch Beitritt weiterer Staaten ergänzt werden sollte. Schließlich sind für nicht wenige Ausländer die Unterschiede in Kultur und Zivilisation oft unüberwindbare Sperren für ein Einleben hier. Nicht zu vermeiden sind häufig Spannungen sowohl mit einheimischen als auch mit den zum Teil aus verschiedenen Erdteilen stammenden Volksgruppen.

 

All diese Faktoren würden zwangsläufig das soziale Klima in der Bundesrepublik unerträglich belasten." 

 

(Dr. Penner, SPD, Bundestagsprotokolle, 8. Wahlperiode, 228. Sitzung, 2.7.1980, Seite 18530 (A-B); vgl. Morgenstern, 2002, Seite 274f.)

 

Franz-Hermann Kappes, CDU, Mitglied im Bundestagsinnenausschuss:

 

Erstens ist immer wieder gemahnt worden, die Bundesrepublik Deutschland sei kein Einwanderungsland. Tatsächlich jedoch belegen die Zahlen, daß in den vergangenen zwei Jahrzehnten in erheblichem Maße eine faktische Einwanderung stattgefunden hat. Das läßt sich im wesentlichen nicht rückgängig machen, aber für die Zukunft doch ausschließen.

Zweitens muß, wie ich denke, ein wichtiger Maßstab für die Zukunft das Recht auch der deutschen Nation bleiben, vorrangig die ihr eigene typische Kultur zu bewahren.

 

Zwischenruf von Frau Olms (GRÜNE): "So ein Quatsch!"

 

Bei aller Bereicherung, Frau Kollegin Olms, durch fremde Kulturkreise, die ich gar nicht bestreite, sollten wir uns nicht gedankenlos auf den Weg machen in eine alles vermischende sogenannte multikulturelle Gesellschaft.“ 

 

(Dr. Kappes, CDU/CSU, Bundestagsprotokoll, 11. Wahlperiode, 113. Sitzung, 1.12.1988, Seite 8204 (B-C); vgl. Morgenstern, 2002, Seite 342)

Die wesentlichen Aussagen zum Thema Einwanderung bestanden also in der freundlichen Formulierung schrecklicher Befürchtungen: 

 

So ging die sozialdemokratische Position davon aus, jede (weitere) Einwanderung würde die Integrationskraft der deutschen Gesellschaft übersteigen. Sie sei bereits durch ausländische Arbeitskräfte und EU-Bürger beinahe überfordert. Zu große Unterschiede in Kultur und Zivilisation verhinderten zudem die Integration und dies werde unvermeidlich zu ethnischen Konflikten führen. Eine unerträgliche Belastung für das soziale Zusammenleben sei die Folge. 

 

Die CDU forderte Einwanderung zukünftig auszuschließen. Durch die Konfrontation mit ‚fremden Kulturkreisen’ gerate sonst die Kultur der ‚deutschen Nation’ in Gefahr.

 

Vom Ausländer zum Zuwanderer

Der Begriff ‚Ausländer’ bedeutet im bundesdeutschen Sprachgebrauch, dass es sich um Menschen ‚nicht-deutscher Herkunft’ handelt. Ausländer waren, sind und bleiben definitionsgemäß Fremde, gleichgültig wie lange sie im »Inland« leben oder ob sie oder schon ihre Eltern in Deutschland geboren sind. Von Ausländern sprechen Inländer nur, wenn es um das Ausmaß und die Bedeutung von deren Fremdheit und ihres Anders-Seins geht.

 

Die ‚Ausländer’ oder moderner die ‚Migranten’ bilden einen Teil der bundesdeutschen Bevölkerung. Sie sind sozial wie ökonomisch schlechter gestellt, weil sie in der Regel rechtlich und politisch klar benachteiligt sind. In Parteien, Gewerkschaften, politischen Vereinigungen und in den Medien sind sie daher unterrepräsentiert. Der Zugang zu Bildung, Arbeitsplätzen und Wohnungen ist für sie erschwert und dies wirkt sich wiederum einschränkend auf Berufswahl, Karrierechancen, Gehalt und auf den sozialen Status aus.

 

Ein Großteil der heutigen Einwandererminderheit hat ihre dauerhafte Niederlassung in der Bundesrepublik nicht von vornherein geplant. Viele der angeworbenen Arbeitskräfte blieben und holten ihre Familien nach, weil sie nicht, wie erhofft, schnell genug Geld verdienen konnten, um zurückzugehen. Nach einiger Zeit waren die Kinder erwachsen und betrachteten die Bundesrepublik als ihre Heimat. Ähnlich erging es jenen, die kamen, um politischer Verfolgung in Diktaturen zu entgehen und später zurückzukehren.

 

Viele Migranten wurden also Einwanderer, ohne dies beabsichtigt zu haben. Aber sie werden bleiben und die deutsche Gesellschaft mitgestalten. Das ist etwas wovor Viele Angst haben - Stichwort Islam und Islamismus. Vergessen wird dabei jedoch häufig, dass es sich, auch wenn man alle ‚Ausländer’ zusammenzählt, um eine insgesamt kleine Minderheit handelt.

 

Es wäre also längst Zeit, Einwanderer als solche zu betrachten. Doch der Begriff Zuwanderer, der in öffentlichen Diskussionen inzwischen häufig statt Einwanderer verwendete wird, impliziert, Menschen anderer ‚Herkunft’ könnten stets nur zur ‚Gemeinschaft aller Deutschen’ hinzu, aber nie hinein kommen.

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Literatur

Morgenstern, 2002:  

Rassismus - Konturen einer Ideologie

Einwanderung im politischen Diskurs
der Bundesrepublik Deutschland
 

 

 Inhaltsverzeichnis

 

Argument Sonderband
Neue Folge 292

Argument Verlag  

 

 

Morgenstern, 2001:

 

Rassismus Macht Fremde

Begriffsklärung und Gegenstrategien

Reader für MultiplikatorInnen in der 
Jugend- und Bildungsarbeit.

 

 Inhaltsverzeichnis